5. November
In Rotterdam wurden Autos geladen. Bis alle Autos an Bord waren, was vier Tage dauerte, standen sie an Land und mussten nachts von uns bewacht werden. Das war ein trister Job, wenn ich in der Dunkelheit und in beißender Kälte alleine meine Runden drehen musste.
11. November
Beim Auslaufen aus Rotterdam sah ich wieder die „Griesheim“.
13. November
In dichtem Nebel vor Antwerpen geankert
15. November
Wecken war um 3 Uhr. Um 10 Uhr konnten wir auslaufen. Erster Zielhafen war wieder Lissabon.
17. November
Während der Seereise hatten wir nur schlechtes Wetter. Meistens herrschte Windstärke 8. Erst kurz vor Lissabon wurde es etwas ruhiger.
20. November
Vor der Tejo-Mündung war der Seegang aber immer noch so stark, dass wir keinen Lotsen bekommen konnten. Erst nach einigen Stunden traute sich das Lotsenboot heraus, und der Lotse kam an Bord. Um 13 Uhr machten wir in Lissabon fest. Die Nacht über war die halbe Besatzung an Land und amüsierte sich.
21. November
Als es morgens wieder an Deck ging, war fast keiner nüchtern. So nach und nach trudelten auf der Pier immer mehr junge Portugiesinnen ein – wir sollten nämlich gegen 8 Uhr auslaufen – und sie wollten sich von ihren Freunden verabschieden. Die liefen dann auch bald die Gangway hinunter, und überall standen eng umschlungene Pärchen, die Abschied nahmen. Nichtsdestotrotz wurden um 8 Uhr die Leinen losgeworfen, und es ging weiter, nach Malta.
26. November
Ankunft Malta, an Land kam ich wieder nicht.
29. November
Morgens liefen wir in Patras ein. Die Stadt liegt etwa 180 Kilometer westlich von Athen, an der Nordküste der Peloponnes Halbinsel. Abends liefen wir wieder aus.
30. November
Etwa 100 Kilometer südwestlich von Patras liegt die Stadt Katakolon. Damals war sie nicht sehr groß und der Hafen auch nicht. Als wir ankamen waren wir das einzige Schiff.
Hinter der Hafenmole wurden zuerst die beiden Anker ausgebracht und dann das Heck mit Hilfe zweier Achterleinen so weit an die Mole gezogen, bis das Schiff seinen Liegeplatz nicht mehr verändern konnte. Gegen Abend frischte der Wind von See her auf. Sicherheitshalber wurden zusätzlich noch zwei weitere Leinen an die Mole gebracht.
1. Dezember
Da der Wind nicht stärker geworden war und die Mole ausreichend Schutz vor der Brandung bot, konnte ein Teil der Ladung problemlos gelöscht werden. Nach Reparaturarbeiten am Motor sollte gegen Abend ein Probelauf stattfinden, aber der Motor sprang nicht an. Es war wohl doch eine größere Reparatur notwendig.
2. Dezember
Morgens legte der Wind – es handelte sich um einen Schirokko – erheblich zu. Entsprechend höher wurden auch die Wellen.
Die Mauer sah nicht sehr vertrauenerweckend aus – und die Poller auch nicht. Hier steckten teilweise nur ein paar mickerige Eisenstangen in ziemlich brüchigen Fundamenten. Aber Grund zur Besorgnis gab es ja bislang noch nicht.
Dann schafften es die ersten Brecher über die Mauer, und im Hafenbecken wurde es langsam unruhig.
Die Achterleinen wurden immer stärker belastet, und es dauerte auch nicht lange, bis die erste brach.
Jetzt hieß es, die Leine so schnell wie möglich zu ersetzen. Dazu musste eine Ersatztrosse mit einem Ruderboot mühsam auf die Mole gebracht und das Auge über den Poller gelegt werden. Das Anprallen der Brecher gegen die Mauer klang wie das Donnern bei einem Gewitter.
Als es dunkel wurde, sah alles noch bedrohlicher aus.
Während der Nacht wurde die Mole mit zwei Scheinwerfern angestrahlt. Dabei konnten wir feststellen, dass sich an mehreren Stellen in der Mauer Risse gebildet hatten, und es war zu befürchten, dass sie wegbrechen würde. Einen Poller hatte es aus der Mole gerissen. Weitere Leinen brachen, und es gab keinen Ersatz mehr. Wer nicht an Deck gebraucht wurde, hatte „Stand-by“. Schlafen war zwar erlaubt, jedoch nur in voller Montur, um sofort einsatzbereit zu sein. Schlimmstenfalls wären wir abgetrieben und hätten den Motor gebraucht, aber der stand wegen der Reparaturarbeiten nicht zur Verfügung.
3. Dezember
Gegen Morgen ließ der Sturm nach, und die Kraft der Brecher nahm ab.
Wir waren mit einem blauen Auge davongekommen. Schlimmstenfalls wären die verbliebenen Leinen auch noch gerissen. Dann hätten nur die beiden Anker ein Abtreiben verhindern können, und wenn die nicht gehalten hätten, wären wir aus dem Hafenbecken getrieben und an der Küste gestrandet.
Der Sturm hatte zwar nachgelassen, war aber immer noch zu stark, um die Löscharbeiten wieder aufzunehmen. Das war erst am nächsten Tag möglich.
Heute macht die Mole einen wesentlich stabileren Eindruck.
6. Dezember
Einlaufen in Piräus (dem Hafen von Athen), Abreise am 9. Dezember
10. Dezember
Morgens in Izmir eingelaufen, nachts wieder ausgelaufen
12. Dezember
Morgens in Istanbul eingelaufen, nachts wieder ausgelaufen
13. Dezember
Abends Ankunft im Hafen von Thasos (Insel im Nordosten Griechenlands)
17. Dezember
Konstanz (Rumänien) am Schwarzen Meer
20. Dezember
Burgas (Bulgarien) am Schwarzen Meer
22. Dezember
Istanbul
24. Dezember
Heiligabend morgens einen Tannenbaum geschmückt, gegen 18 Uhr ausgelaufen
Es war sogar eine Weihnachtsfeier möglich.
Je später der Abend, desto glasiger der Blick
Ende der Weihnachtsfeier
25. Dezember
1. Weihnachtstag, abends in Izmir festgemacht
26. Dezember
Am 2. Weihnachtstag den ganzen Tag gearbeitet, bis wir abends ausliefen. Izmir war unser letzter Hafen, und somit begann die Heimreise. Wir waren „bis unter die Decke“ beladen. Der Weg von achtern zum Vorschiff war die reinste Kletterpartie.
Einem solchen Korkballen hatte ich die Wunde an meiner Hand zu verdanken.
31. Dezember
Silvester, Zwischenbilanz: In den letzten fünf Monaten war ich etwa 30 Stunden an Land. Es gab kaum einen Tag ohne Überstunden. Im Dezember waren es 120 – davon allein 90 in den ersten beiden Wochen – im Durchschnitt also jeden Tag 6 Überstunden. Erst zum Ende des Monats wurden es weniger, da wir uns auf See befanden.
Rolling home
Die Heimreise
2. Januar 8 Uhr: querab von Gibraltar, Fahrzeit 6 Tage 14 Stunden
4. Januar 9 Uhr: querab von Kap Finisterre, Fahrzeit 2 Tage 1 Stunde
5. Januar 18 Uhr: querab von Quessant, Fahrzeit 1 Tag 9 Stunden
6. Januar 20 Uhr: querab von Dover, Fahrzeit 1 Tag 2 Stunden
8. Januar 8 Uhr: Einlaufen Hamburg, Fahrzeit 1 Tag 12 Stunden
Während der Heimreise war das Wetter der Jahreszeit entsprechend stürmisch, regnerisch und kühl. Arbeiten an Deck waren deshalb nicht möglich. Stattdessen wurden die Gänge und Mannschaftsräume gemalt. Das war relativ erholsam, aber die Schufterei ließ nicht lange auf sich warten. Nach einem kurzen Aufenthalt in Hamburg ging es weiter nach Rotterdam.
11. Januar
Gegen 23 Uhr kamen wir in Rotterdam an. In zwei Luken hatten wir Erz geladen. Wir machten die Luken sauber und bauten Querschotte, da im nächsten Hafen (Antwerpen) Phosphat in die Luken kommen sollte.
Querschotte mussten gebaut werden, wenn es erforderlich war, eine Ladeluke in mehrere Räume aufzuteilen. Das war immer bei einer „losen“ Ladung – wie beispielsweise Getreide oder grobkörnigen Erzen und Chemikalien – der Fall. So wurde verhindert, dass größere Mengen bei Schräglage des Schiffes auf eine Seite verrutschen konnten.
Der Bau solcher Schotte war mühsam und zeitaufwendig und musste – wie in diesem Fall bei uns – auch noch unter Zeitdruck geschehen. Als Erstes wurden mit Hammer und Meißel die Erz-Reste aus den in den Boden eingelassenen Halterungen entfernt. Die Halterungen mussten sauber sein, da sie zur Aufnahme der senkrechten Stützbalken dienten. Dann wurden die Balken eingesetzt und oben mit den Scherstöcken verschraubt. Zwischen die Stützen kamen dicke Holzplanken. Die seitlichen Planken an den Bordwänden mussten per Hand passgenau zugeschnitten werden. Zum Schluss wurden vor das Schott Abdeckplanen gehängt und festgenagelt, damit auch die Ritzen dicht waren.
Als wir das letzte Mal ein Schott gebaut hatten, brauchten wir dazu knapp eine Woche. Jetzt sollten wir bis Antwerpen zwei Schotte in 3 Tagen stehen haben. Das bedeutete wieder harte Arbeit, wenig Schlaf und viele Überstunden. Ein Klassenkamerad von mir, der auch zur See fuhr und bei der Hamburg-Süd Reederei beschäftigt war, beklagte sich in einem Brief, dass auf seinem Schiff kaum Überstunden gemacht würden. (Überstunden waren ja die einzige Möglichkeit, die nicht gerade üppige Heuer etwas aufzubessern.) Bei uns war genau das Gegenteil der Fall. Nicht umsonst hieß es „Ein Jahr Levante-Fahrt und man braucht zwei Jahre Urlaub, um sich zu erholen.“
14. Januar
Natürlich waren wir mit der Arbeit fertig, als wir morgens um 9 Uhr in Antwerpen einliefen. Am 16. gegen 18 Uhr war das Phosphat in den Luken, und wir fuhren weiter nach Bremen.
18. Januar
In Bremen war wohl Hochbetrieb, denn wir mussten in Höhe von Bremerhaven ankern, weil alle Liegeplätze belegt waren.
19. Januar
Nachts konnten wir dann weiterfahren und in Bremen festmachen. Ich wollte morgens zum Zahnarzt, aber es durfte keiner von Bord. Wir wurden alle wegen eines Diebstahls verhört, von dem ich aber nichts mitbekommen hatte. Um 10 Uhr konnte ich dann gehen. Der Zahnarzt plombierte einen Zahn. Ab Mittag arbeitete ich an Deck. Abends ging ich an Land und besuchte ein Jazzkonzert. Irgendwie fühlte ich mich aber schlapp und war froh, als ich in der Koje lag.
20. Januar
Um 6 Uhr wurde ich geweckt. Wir bekamen einige Trecker und etliche Pkws, die gelascht werden mussten. Laschen bedeutet, bewegliche Gegenstände mit Leinen oder Drähten und Spannschrauben festzurren. Den ganzen Tag über fühlte ich mich immer noch schlapp.
21. Januar
Von neun Decksmännern hatten inzwischen sechs abgemustert. Es waren alles ältere Matrosen. Drei von ihnen hatten die Nase voll von der Seefahrt und wollten ganz aufhören. Die viele Arbeit hatte sie fertiggemacht. Aber nicht nur sie. Wir sahen alle aus wie Wracks, waren abgemagert, hatten Ringe unter den Augen und knochige Gesichter.
Nur zu gerne hätte auch ich die Brocken hingeschmissen, aber wenn man als Seemann zu oft das Schiff wechselte, wurden die Reedereien stutzig, und für meine Beurteilung wäre das sicherlich nicht förderlich gewesen. Also beschloss ich, wenigstens noch bis zum Sommer durchzuhalten, dann war meine Zeit als Jungmann (zweites Lehrjahr) beendet, und ich konnte mich als Leichtmatrose (drittes Lehrjahr) woanders bewerben.
Gegen 16 Uhr liefen wir aus. Ich hatte Wache und stand die ganzen vier Stunden am Ruder. Das Steuern auf der Weser kannte ich inzwischen ja schon. Trotzdem war es sehr spannend. Nach der Wache ging ich wieder zum Laschen in die Luken.