29. November – 05. Dezember: Shannon, Lajes, Andrews, Patterson, El Paso, Andrews, Gander
Kommandant war Hauptmann Schünemann.
Wenn ich zu Hauptmann Schünemann gesagt hätte, er würde 4 Jahre später in die UdSSR fliegen und Leonid Breschnew die Hand schütteln, wäre ich wahrscheinlich ein Fall für den Psychiater geworden. Ein solcher Gedanke war damals einfach zu absurd.
Als wir nachmittags in Andrews landeten, lag der Schnee schon einen halben Meter hoch. Am nächsten Morgen war die Maschine eingeschneit. Mit den Bordmechanikern bin ich auf die Tragflächen geklettert, und wir haben zunächst den Schnee mit Besen hinunter geschoben und dann das Eis mit einer speziellen Enteisungsflüssigkeit entfernt. Das musste besonders sorgfältig in den Spalten zwischen den Höhen-, Seiten- und Querrudern geschehen, um ein Blockieren zu verhindern. Mittags waren wir damit fertig.
Auf dem Rückflug gab es wieder einige technische Beanstandungen, die ich nachts zwischen Gander und Wahn an die Einsatzleitung durchgab:
0225 QTC
AUTOPILOT NICHT IN ORDNUNG
ADF 1 AUSGEFALLEN (Funkkompass zur Positionsbestimmung)
ADI ANZEIGE MOTOR 3 BLEIBT BEI 4 USG HAENGEN
MOTOR 3 HINTERE ZUENDKERZE ZYLINDER 4 SETZT ZEITWEISE AUS
FUEL FLOW ANZEIGE MOTOR 3 NICHT IN ORDNUNG
QRE EDDK 1105
Bisher wusste ich nicht, ob ich die Fachschule in Köln oder in München besuchen würde, aber nach Erhalt der Kommandierungsverfügung war das auch geklärt:
Dienstantritt zum Lehrgang zur Erlangung der Hochschulreife am 3. Januar in Köln-Marienburg
Mein letzter Flug
15. – 21. Dezember: Shannon, Andrews, El Paso, Redstone, Andrews, Gander
Normalerweise hatten wir immer zwischen 50 und 60 Passagiere an Bord. Auf dem Hinflug war es diesmal aber nur einer. Dadurch konnten wir in Shannon mehr Treibstoff tanken und ohne Zwischenlandung direkt nach Andrews durchfliegen. Dort lag kein Schnee, dafür aber in El Paso. Mit kühlem Wetter hatte ich ja gerechnet, aber dass wir vor der Landung auch noch in einen Schneesturm kamen, war eine völlig neue Erfahrung. Wetterbedingt verzichteten wir auch auf den sonst üblichen Juarez-Besuch.
2000 km östlich in Redstone (Alabama) war das Wetter dann wieder völlig anders. Aus der Kälte kamen wir in eine sommerlich feuchte Wärme von 24° C.
Als Funker hatte ich bei Starts und Landungen – abgesehen davon, dass ich kontrollierte, ob die Passagiere angeschnallt waren – nichts zu tun, denn mit dem Funkverkehr auf Kurzwelle anzufangen machte erst Sinn, wenn wir unsere Reiseflughöhe erreicht hatten. Deshalb schaute ich meist aus dem Fenster und sah mir die Landschaft an.
Blick aus dem Fenster
Ich tat das auch beim Start in Redstone, obwohl es eigentlich nicht viel zu sehen gab, denn es war schon dunkel. Das änderte sich aber, als ich bemerkte, dass einer der Motoren einen Funkenschweif hinter sich herzog. Anfangs noch dünn, verdichtete er sich aber zusehends und war mit kleinen Flammen durchsetzt. Normal war das nicht, und deshalb ging ich nach vorn und meldete es dem Kommandanten.
Da wir uns noch im Steigflug befanden und die Sicht nach hinten vom Cockpit aus sowieso eingeschränkt war, hatte man dort noch nichts bemerkt. Deshalb bekam der Bordmechaniker den Auftrag, mit mir nach hinten zu gehen, um sich einen Überblick zu verschaffen, und der war eindeutig.
Der Steigflug wurde sofort abgebrochen und der Motor in Leerlaufstellung gebracht, wodurch sich der Funkenflug erheblich reduzierte. Nachdem der Tower die Landeerlaubnis erteilt hatte, wurde das Landeverfahren eingeleitet.
Die Abgasanlage (Auspuff) bei den DC6-Motoren sah folgendermaßen aus: Jeder Motor hatte 18 Zylinder deren Abgase in einem Ring zusammengefasst und von dort aus über zwei Kanäle – von denen sich einer über und einer unter der Tragfläche befand – nach außen abgeleitet wurden. Das Verbindungsstück zwischen Zylinder und Ring heißt Abgaskrümmer.
Wie sich hinterher herausstellte, war einer dieser Abgaskrümmer am Zylinder abgerissen. Dadurch wurden die heißen Abgase nicht mehr durch den Auspuff abgeleitet, sondern strömten durch den Motorraum direkt nach draußen. Unter Umständen hätte das zu einem Motorbrand führen können.
Auch in Andrews war es noch relativ warm, dafür schneite es in Gander. Es war lausig kalt und sah etwa so aus wie auf diesem Bild.
Die letzten Funksprüche
21. Dezember 1967 – Donnerstag 0200 Z (Zulu-Zeit oder GMT, in Deutschland eine Stunde später)
In den grauen Feldern steht der Funk-Code, darunter die „Übersetzung“. CA-023 ist das Rufzeichen der Maschine.
Die letzte Startmeldung
Der letzte Zustandsbericht
Die letzte Landemeldung
Ich schalte ab, FUER IMMER, das war’s also.
Nach der Landung ging ich zum Bereitschaftsraum hoch, um meine Sachen aus dem Spind zu holen. Ich weiß noch genau, dass ich auf der Treppe ein Liedchen pfiff, aber irgendwie klang es anders als sonst.
Seit meinem ersten Flug am 2. Mai 1963 waren 4 Jahre und 8 Monate vergangen. Wenn ich die Durchschnittswerte von 20 Flügen oder 40 Flugstunden pro Monat zu Grunde lege, hatte ich an rund 1.120 Flügen teilgenommen und war 2.240 Stunden in der Luft.
Flugangst oder etwas Ähnliches hatte ich nie, obwohl ich auch die eine oder andere kritische Situation erlebt habe. Aber das Vertrauen in die Fähigkeiten der Piloten und Bordmechaniker – und nicht zuletzt des Bodenpersonals, das für die Wartung der Maschinen zuständig war – gab mir immer ein Gefühl der Sicherheit.