Die Trennung von meiner „Ente“ fiel mir nicht schwer, denn ich hatte mich in einen Triumph Spitfire „verliebt“. Der Verkäufer wohnte in Ahlen, und nach Erledigung der Formalitäten setzte ich mich stolz wie Oskar hinters Steuer und begab mich auf die Heimfahrt nach Detmold.
Die neuen Fahreigenschaften – im Vergleich zu der lahmen „Ente“ – mussten natürlich sofort getestet werden, und so gab ich am Ortsausgang ordentlich Gas. Dummerweise kam schon nach einigen hundert Metern eine etwas schärfere Linkskurve. Für einen Sportwagen durfte das ja wohl ein Klacks sein (nahm ich jedenfalls an), aber weit gefehlt. Wir machten eine Volldrehung und landeten auf der anderen Straßenseite rückwärts in einem Graben. Der war aber nicht sehr tief, und ich konnte die Fahrt fortsetzten. Meine Euphorie war allerdings fürs Erste dahin.
Das Fahrverhalten bekam ich mit der Zeit in den Griff, aber leider nicht die Hinterachse, die schon nach einigen Wochen unangenehme Geräusche von sich gab. Obwohl verschiedene Werkstätten häufig daran herumbastelten, schafften sie es nicht, die Ursache zu finden.
Abgesehen davon war das Fahren mit einem Cabrio aber ein Genuss, und insofern habe ich den Kauf nicht bereut.
Als ich zum TÜV musste, sagte man mir in der Werkstatt, dass der Auspuff zu laut sei. Ich könne den TÜV aber überlisten, wenn ich kurz vorher eine Handvoll Abrazzo (Stahlwolle) in den Auspuff stopfen würde.
Das funktionierte auch, obwohl das Abrazzo anfing zu stinken und der Prüfer etwas misstrauisch wurde. Nur vergaß ich anschließend, den Stopfen auch wieder herauszunehmen. Als ich nach Hause fuhr, wunderte ich mich darüber, dass ich nicht richtig beschleunigen konnte. Aber dann gab es plötzlich einen Knall, und der Stopfen schoss aus dem Auspuffrohr. Das Problem hatte sich somit von selbst erledigt.
Im Oktober war mein letzter Flug mit der DC3. Danach wurde ich nur noch auf der Convair und der DC6 eingesetzt.
01. – 08. Dezember 1965
Der Kommandant hatte sich für die Süd-Route entschieden, und so flogen wir zum Tanken direkt nach Lajes. Bis dahin gab es wettermäßig keine Probleme, aber danach sollte es ziemlich unangenehm werden, weil wir auf halber Strecke zwischen den Azoren und Mc Guire eine Gewitterfront durchqueren mussten.
Nachfolgend einige Zitate u.a. aus den „Flugsicherheitsmitteilungen“ des Luftfahrt Bundesamtes:
Cumulonimben
Gewitter sind grundsätzlich mit dem Entstehen von Cumulonimben verbunden. Sie bestehen aus mehreren Zellen eines Durchmessers von ca. 2 km. Im ausgewachsenen Stadium bringt diese klassische Gewitterwolke massive Schauer und Hagel. Sie ist auch die Wolkenform von Wirbelstürmen und kann 20 bis 100 Millionen Tonnen Wasser enthalten. Unterhalb dieser Wolken und in ihnen ist mit starken Winden zu rechnen. Diese können vertikale Geschwindigkeiten von 120 km/h erreichen, bei Superzellen auch darüber hinaus. Auf- und Abwinde liegen hier dicht beieinander. Wegen der Turbulenzen sind Cumulonimbuswolken selbst für große Flugzeuge gefährlich, sie werden möglichst nicht durchflogen.
Turbulenz
Turbulenz ist für das Luftfahrzeug deshalb so gefährlich, weil die Zelle durch sie außerordentlichen mechanischen Belastungen unterworfen ist. Sie kann in schweren Fällen kleine Flugzeuge zerbrechen und auch großen Flugzeugen erheblichen Schaden zufügen, abgesehen von den Verletzungen der Insassen. Gebiete schwerer Turbulenz sind in einem Cumulonimbus zu finden. Sie liegen zwischen den zum Teil nur 200 m auseinander liegenden Zonen der Aufwinde und der Abwinde. Aber nicht nur hier tritt Turbulenz auf, sondern um die gesamte Wolke herum.
Böen
Starke Böen mit großen Windgeschwindigkeitsänderungen treten in der näheren Umgebung der Cumulonimben und in ihnen selbst auf.
Vereisung
Vereisung bringt nicht nur eine erhebliche Gewichtszunahme des Flugzeuges mit sich, sondern auch eine Änderung des Flügelprofils, die zum Strömungsabriss führen kann. Darüber hinaus kann Unwucht der Propeller oder Rotorblätter eintreten und zu Brüchen führen. Außerdem können wegfliegende Eisstücke erhebliche mechanische Schäden am Luftfahrzeug hervorrufen, wenn Zelle oder Steuerorgane von ihnen getroffen werden. Weiterhin kann auch das Triebwerk vereisen (Vergaservereisung bei Kolbenmotoren).
Hagel
Neben der Turbulenz ist Hagel ein sehr gefährdendes Element. Hagelkörner können erhebliche Schäden an einem Luftfahrzeug ausrichten. Hagel entsteht in den Cumulonimben aus den in den Aufwindschläuchen in die Höhe transportierten unterkühlten Wassertröpfchen. Mit zunehmender Höhe gefrieren sie und wachsen weiter, bis das Gewicht des Eiskornes von dem Aufwind nicht mehr getragen werden kann.
Instrumentenfehler
Wird ein Luftfahrzeug direkt vom Blitz getroffen, ist die betriebene Funkausrüstung oft nicht mehr nutzbar, die Anzeigen der elektronischen Navigationseinrichtungen sind sehr kritisch zu werten. Häufig kommt jedoch in solchen Situationen noch ein auf den Schreck des Piloten zurückzuführendes Fehlverhalten hinzu, z.B. Auslösen unbedachter Steuerreaktionen.
Sicht
Die Sicht in einem Cumulonimbus ist Null. Durch den hohen Feuchtigkeitsgehalt der Luft, es werden in einer solchen Wolke ca. 100.000 t Wasser bewegt (!), ist es außerdem dunkel. Licht wird weitgehend absorbiert.
Anfangs waren auf unserem Wetterradar nur vereinzelt Radarechos von Zellen zu sehen. Es wurden aber immer mehr, und dann war ein Umfliegen nicht mehr möglich. Jetzt ging es in erster Linie darum, beim Durchqueren der Auf- und Abwindzonen die Höhe zu halten. Wurde die Maschine vom Aufwind erfasst, durfte sie nicht zu langsam werden, weil sonst ein Strömungsabriss drohte, und in einer Abwindzone nahm die Geschwindigkeit erheblich zu. Somit waren entsprechende Flugmanöver und ein ständiges Gasgeben und Gaswegnehmen erforderlich, begleitet vom An- und Abschwellen der Motorengeräusche. Urplötzlich trommelte dann auch noch der Hagel gegen das Cockpit und die Scheiben vereisten.
Das wiederholte sich nun mehrmals, aber wie lange es letztendlich dauerte, kann ich nicht mehr genau sagen. Ich schätze mal, so zwischen einer viertel und einer halben Stunde. An eins kann ich mich aber noch sehr gut erinnern: Auf dem Hemd des Bordmechanikers, der die Gashebel bediente, bildeten sich im Bereich der Achselhöhlen dunkle Flecken, die immer größer wurden. Angst oder Anstrengung? Vielleicht auch beides.
Der Spuk war dann genau so schnell wieder vorbei, wie er begonnen hatte. Die Maschine lag ruhig wie ein Brett, die Motoren brummten gleichmäßig, ganz so als wäre nichts gewesen. Nur in der Kabine roch es etwas merkwürdig, und die Passagiere waren ungewohnt still.
Im Cockpit der DC6
Links saß immer der Kommandant, der normalerweise auch das Flugzeug steuerte, falls nicht der Autopilot eingeschaltet war, oder der Kopilot übernommen hatte. Rechts saß der Kopilot, der u.a. den Funkverkehr mit der Flugsicherung durchführte. Der ausklappbare Sitz in der Mitte war für den Bordmechaniker, der die Motoren überwachte und häufig auch die Gashebel bediente. Dahinter befand sich ein schmaler Gang mit jeweils links und rechts einem Instrumenten-Rack. Wenn ich mich dazwischen gut festklemmte, hatte ich einen verhältnismäßig sicheren Stand. (Das war natürlich nicht der Arbeitsplatz für den Funker, aber ich hatte einen guten Überblick.)
Die vier Gashebel der DC6 waren doppelt vorhanden, so dass sie von beiden Flugzeugführern erreicht werden konnten. Um die Hebel möglichst gleichmäßig zu bewegen, wurden sie zwischen die Finger einer Hand geklemmt.
Aufgrund einiger Pannen verzögerte sich der Rückflug.
05.12. Sonntag
Zwischen Redstone und Mc Guire fiel mehrmals das linke Fahrwerk aus dem Schacht, weil die Verriegelung defekt war.
06.12. Montag
Eigentlich wollten wir mittags starten, aber die Ersatzteile kamen nicht. Bis Mitternacht haben wir gewartet, dann den Start verschoben.
07.12. Dienstag
Spät abends konnte die Reparatur durchgeführt werden. Beim anschließenden Checkflug, verriegelte das Bugrad nicht richtig.
08.12. Mittwoch
Nachdem auch dieser Fehler beseitigt war, konnten wir um 4:30 Uhr starten und landeten mit einem Tag Verspätung um 20:35 Uhr in Wahn.
Bei diesem Flug hatten wir möglicherweise einen Passagier an Bord, den ich 33 Jahre später kennen lernen sollte, und zwar im Mai 1998 während einer Klassenfahrt nach Helgoland. (Ich war inzwischen Lehrer.)
Als wir an Bord der „Helgoland“ gingen, saß direkt an der Einstiegsluke ein älterer Herr mit einer Sammelbüchse für die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“.
Während der Überfahrt kamen wir ins Gespräch, und es stellte sich heraus, dass wir beide zur See gefahren waren. Er allerdings zuletzt als 1. Offizier (mit Kapitänspatent), während ich es ja nur bis zum Leichtmatrosen geschafft hatte. Über seine Seefahrtszeit hatte er sogar ein Buch geschrieben, was mich natürlich sehr interessierte.
Nach seiner Zeit bei der Handelsmarine war er als Ausbildungsoffizier an der Seemannsschule in Hamburg tätig und wechselte dann zur Bundesmarine, wo er schließlich im Rang eines Fregattenkapitäns pensioniert wurde. Soweit so gut, aber was hat das nun mit der DC6 zu tun?
Als ich ihm erzählte, dass ich als Funker mit der DC6 mehrmals in El Paso war, meinte er, er wäre im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Marine auch einmal mit einer Bundeswehrmaschine von El Paso nach Deutschland geflogen. An das genaue Datum konnte er sich natürlich nicht mehr erinnern, aber es interessierte uns doch sehr, ob wir uns vielleicht während eines Fluges schon mal begegnet waren. Auf jeden Fall wollten wir das anhand unserer Unterlagen nachprüfen, und so erhielt ich einen Monat später von ihm einen Brief.
Auszug aus dem Brief von Herrn Constabel
Anhand meiner Unterlagen konnte ich feststellen, dass Herr Constabel wahrscheinlich mit einer anderen der vier DC6 geflogen ist. Der oben erwähnte Flug durch die Gewitterfront (Rückflug am 8.12.65) war vorerst mein letzter Flug nach El Paso. Danach wurde ich hauptsächlich auf der Convair eingesetzt. Wir hatten uns damals also um ein paar Tage verpasst.
Drei Jahre später fuhr ich wieder nach Helgoland. Diesmal war Herr Constabel aus gesundheitlichen Gründen leider nicht mehr an Bord, wie ich von seiner Nachfolgerin erfuhr, die diese ehrenamtliche Aufgabe übernommen hatte.