Im Juli war mein Urlaub fällig. Diesmal sollte es nicht in den Süden gehen, sondern in den Norden, bis an die norwegische Grenze und zwar mit Ortwin. Eigens zu diesem Zweck kauften wir uns einen alten Mercedes 170 D.
Die Reise begann am 21. Juli und führte uns zunächst in die Nähe von Sonderburg. Unsere ehemalige Englischlehrerin von der Sprachenschule in Uetersen hatte dort ein Ferienhaus, und da Ortwin mit ihr befreundet war, wollte er sie besuchen.
Miss Lane
Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Kopenhagen.
Die „kleine Meerjungfrau“ war (und ist) natürlich ein beliebtes Motiv.
In Helsingør besichtigten wir Schloss Kronborg, bekannt durch die Tragödie „Hamlet“ von Shakespeare.
Mit der Fähre setzten wir über nach Schweden und fuhren weiter nach Stockholm. Von dort aus ging es noch 60 km in nördlicher Richtung bis Uppsala und dann nach Westen durch wunderschöne Landschaften bis zur norwegischen Grenze.
Ich räumte etwas auf, damit die Stämme ihre Talfahrt fortsetzen konnten.
Nach der anstrengenden Arbeit war eine Abkühlung vonnöten. Ich wollte Ortwin dazu überreden, mit mir ans andere Ufer zu schwimmen, aber ihm war das wegen der treibenden Baumstämme zu riskant. Also schwamm ich alleine.
Das war wohl eine Sammelstelle für das Holz.
Wir wollten natürlich auch wissen, wie der alte Germanentrunk „Met“ schmeckt, aber das Trinken war gar nicht so einfach.
Es gab wunderschöne Hütten, die geradezu zum Übernachten einluden.
Ortwin konnte auch während der Fahrt gut schlafen.
Solche Gestalten – man nennt sie Trolle – trieben sich angeblich in den Wäldern herum, aber einem lebenden Exemplar sind wir nicht begegnet.
Am 27. Juli waren wir gegen Abend an der Grenze nach Norwegen und hatten damit den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht.
Entlang der Westküste ging es nun nach Göteborg, um dort mit der Fähre nach Skagen überzusetzen. In der Gegend um Tanum sahen wir uns die Zeichnungen an, die während der Bronzezeit in die Felsen geritzt wurden.
Am 31. Juli setzten wir mit der Fähre nach Skagen über. Am nächsten Tag wollten wir uns die Nordspitze Dänemarks ansehen. Man kann mit dem „Sandorn“ oder „Sandwurm“ dort hinfahren, aber wir zogen es vor zu wandern.
Hier sah es so aus als würden Nord- und Ostsee zusammenstoßen.
Von Skagen aus fuhren wir entlang der Westküste Dänemarks Richtung Husum. Bisher hatten wir ja, was Übernachtungen und Verpflegung betraf, recht spartanisch gelebt. Aber Ortwin reichte es wohl, und er bestand darauf, die letzte Übernachtung in einem Hotel zu verbringen. Da ich es aber vorzog, wieder in den Dünen zu schlafen, setzte ich ihn abends vor einem kleinen Hotel in Strandnähe ab. Als ich am nächsten Morgen an der Rezeption auf ihn wartete, sah ich zufällig seine Eintragung im Gästebuch, und da stand unter Beruf: Pilot. Das entsprach nun wirklich nicht der Wahrheit, denn Ortwin arbeitete als Controller bei der militärischen Flugsicherung, und es kam mir ein wenig wie Hochstapelei vor. Deshalb konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Aber auch sein Traum war es einmal gewesen, Pilot zu werden, und wahrscheinlich war dieser Wunsch der Vater des Gedankens.
Am 2. August waren wir abends wieder in der Kaserne. Unser Mercedes ließ uns während der Fahrt nie im Stich, obwohl er manchmal etwas strapaziert wurde, wie beispielsweise in diesem Fall: Auf einer Ausfahrtstraße waren wir längere Zeit auf einer Spur gefahren, auf der sich Bahn- oder Straßenbahnschienen befanden, die sich aber weiter nicht bemerkbar machten, da sie in gleicher Höhe mit den Pflastersteinen lagen.
Ortwin hatte wohl am Steuer etwas vor sich hingedöst, jedenfalls bemerkte er nicht, dass er am Ortsausgang die Fahrbahn wechseln musste, denn anstatt der Pflastersteine lagen dort Bahnschwellen und Schotter. So rumpelte der Mercedes etliche Meter über die Schwellen, und Ortwin hatte Mühe, wieder auf die Straße zu gelangen. In Schweden gab es anfangs erhebliche Probleme mit dem Linksverkehr, der dort erst 1967 abgeschafft wurde. Nach jedem Kreisverkehr landete ich auf der Gegenfahrbahn, aber der Verkehr war minimal, so dass es zu keiner heiklen Situation kam.
Nach unserer Rückkehr fuhr ich den Mercedes noch einige Wochen, und da gab es dann doch noch eine kleine Karambolage. Vor einer Ampel musste ich bremsen, und ein Wagen krachte hinten auf die Stoßstange. Der Mercedes hatte kaum etwas abbekommen, aber der andere Wagen sah ziemlich übel aus. Peinlich war auch noch, dass es sich um einen Neuwagen handelte, mit dem eine belgische Familie auf Urlaubsreise war. Jedenfalls musste die Polizei kommen.
Mein Kontrahent gab an, die Bremsleuchten am Mercedes hätten nicht aufgeleuchtet – was bei dem alten Schätzchen auch durchaus der Fall gewesen sein konnte. Deshalb war mir etwas unwohl, als der Polizist mich aufforderte, die Bremse zu betätigen. Aber, oh Wunder, alles funktionierte, und somit war ich aus dem Schneider. Ich nehme an, es hatte sich um einen Wackelkontakt gehandelt. Dadurch waren die Bremsleuchten möglicherweise zeitweilig ausgefallen, und durch den Aufprall war der Kontakt wieder hergestellt.
Leider musste der Mercedes aus Altersgründen dann aber doch verschrottet werden, da wir keinen Käufer finden konnten.