Um an die Ladung unter Deck heranzukommen, mussten bestimmte Vorbereitungen getroffen werden. Als Erstes wurden die Ladebäume in die erforderliche Position gebracht. Danach ging es an die zeitaufwendige und mühsame Abdeckung der Luken.
Das Verfahren auf der „Frauenfels“ gehörte nicht zu den modernsten und sah folgendermaßen aus: Im Lukensüll (erhöhter Rand einer Luke) steckten quer zur Längsrichtung des Schiffes die Scherstöcke (Eisenträger). Dazwischen lagen hölzerne Lukendeckel. Den Abschluss bildeten zwei oder drei Persenninge (wasserdichte Planen aus schwerem Segeltuch), die an den Rändern umgelegt und mit eisernen Schalklatten und Holzkeilen gesichert wurden.
Zuerst schlug man die Holzkeile los, dann entfernte man die Schalklatten aus den Halterungen und faltete die großen Persenninge zusammen. Anschließend nahm man die schweren Lukendeckel – von der Mitte der Luke beginnend – aus ihren Führungen zwischen den Scherstöcken und stapelte sie an Deck. Je mehr Lukendeckel entfernt waren, desto gefährlicher wurde diese Arbeit, weil man stellenweise nur noch auf den Scherstöcken stehen konnte und aufpassen musste, dass man nicht in den Laderaum fiel. Wenn die Lukendeckel entfernt waren, mussten noch die sperrigen und schweren Scherstöcke mit Hilfe der Ladebäume hochgehievt und an Deck gesetzt werden. Je nachdem wo sich die Ladung befand, reichte es manchmal auch aus, nur einen Teil der Luke aufzudecken. Natürlich mussten die Luken nach Beendigung der Ladearbeiten in umgekehrter Reihenfolge wieder verschlossen werden.
Diese Arbeiten wurden teilweise noch vor dem Erreichen der Häfen, also während der Fahrt, durchgeführt, und da wir häufig unseren Standort wechseln mussten, waren wir entsprechend oft damit beschäftigt. Das Flachlegen der Ladebäume und das vollständige Zudecken der Luken war allerdings nicht immer erforderlich, da die Entfernung zwischen den einzelnen Häfen zum Teil recht kurz war und es nicht immer auf die offene See hinausging.
Nun fuhren wir also den Schatt el Arab stromaufwärts Richtung Basra und begannen mit den Vorbereitungen zum Löschen der Ladung. Als Nächstes wäre dann ein Anlegemanöver fällig gewesen, aber dazu sollte es vorerst nicht kommen. Noch bevor wir Basra erreicht hatten, wurde erstmal mitten auf dem Strom geankert. Nach ein paar Stunden ging es dann weiter, und wir machten an großen Tonnen fest, immer noch ein gutes Stück von der Pier entfernt.
Diese Schiffe warten alle auf einen freien Liegeplatz an der Pier von Basra.
Wir natürlich auch.
Hier bekamen wir dann auch schon bald den ersten Kontakt mit den Einwohnern des Landes. Sie kamen in schmalen, kanuähnlichen Holzbooten angepaddelt. In jedem Boot saßen meist ein jüngerer Mann und eine junge Frau, manchmal auch Kinder. Wenn sie auf Rufweite an unser Schiff herangekommen waren, riefen die Frauen zu uns herauf: „Darling, give me wood, I give you Pepsi!“ Die Neulinge an Bord wussten zunächst nicht, was es damit auf sich hatte, wurden aber von den Älteren aufgeklärt. Auf jedem Frachter gab es eine Menge Stauholz (Bretter und Balken), welches dazu benutzt wurde, die Unebenheiten zwischen Kisten, Fässern, Säcken und anderer Ladung auszugleichen.
Auf dieses Holz hatten es die Leute abgesehen, um damit ihre Hütten zu bauen oder auszubessern. Umsonst wollten sie es nicht haben, und deshalb befand sich in jedem Boot ein Korb oder Eimer mit eisgekühlter Pepsi-Cola. Wir warfen ein paar Bretter über Bord, ließen eine Leine hinunter und holten den Korb an Deck. Das war immer eine willkommene Erfrischung.
Manchmal lief das auch anders ab. Einige unserer Spezialisten waren nämlich von Pepsi-Cola nicht besonders angetan. Wenn von unten der Ruf „Darling, give me wood …!“ erscholl, riefen sie zurück „Wood for tit and tit for wood!“ Die Sprüche flogen dann solange hin und her, bis entweder der weibliche Teil der Bootsbesatzung eine bestimmte Stelle des Oberkörpers freimachte – zumindest für kurze Zeit – oder die Leute unverrichteter Dinge wieder abzogen.
Ein paar Bretter haben sie schon ergattert. Im linken Boot sieht man auch den Korb mit den Pepsi Flaschen.
Abgesehen von Abadan, einem riesigen Ölhafen, den wir zwischendurch zum Bunkern (Übernahme von Treibstoff) anliefen, machten die Häfen einen recht bescheidenen Eindruck. Eine kurze Pier, manchmal nur für zwei Schiffe, einige Lagerhallen, ein paar wackelige Kräne, so sah das meistens aus. Dafür war der Andrang an Schiffen umso größer. Es dauerte dann mitunter auch Tage oder sogar Wochen, bis schließlich ein Platz an der Pier frei war, und die Ladungsarbeiten beginnen konnten. Bis das der Fall war, wurde das Schiff von Ankerplatz zu Ankerplatz und von Tonne zu Tonne verholt, oft nur um einige hundert Meter.
Blick auf die Hafenanlagen von Basra
Wenn wir dann schließlich an der Reihe waren und einen Platz an der Pier bekommen hatten, lief das Anlegemanöver meistens folgendermaßen ab: Da es in der Regel keine Schlepper gab, wurde das Schiff so nahe wie möglich an die Pier heranmanövriert. Ein Matrose schleuderte dann eine Wurfleine an Land, die von den Hafenarbeitern aufgefangen wurde. Im günstigsten Fall klappte das auch schon beim ersten Mal. Wenn nicht, wurde die Leine wieder an Deck geholt und ein neuer Versuch gestartet. Das musste schnell gehen, damit der Abstand zur Pier nicht zu groß wurde, wenn das Schiff wieder abtrieb. Das Ende der Wurfleine war am Auge einer Festmachertrosse angeknotet.
Ein Matrose wirft die Leine.
Die Arbeiter zogen dann die Trosse mit vereinten Kräften auf die Pier und legten das Auge um einen Poller. Während sie zogen, musste auf dem Schiff dafür gesorgt werden, dass die Trosse sich nicht verhedderte, also zügig Nachschub kam. Ins Wasser durfte sie natürlich auch nicht fallen denn sonst wäre sie möglicherweise achtern in die Schiffsschraube geraten.
Der Nachschub muss gleichmäßig erfolgen.
Dann legte man die Trosse mehrmals um die Winsch (Winde) und hielt das Ende fest, damit sie nicht rutschte. Wenn die Winde sich drehte, wurde das Schiff langsam an die Pier gezogen.
Hein, der Matrose mit der Baskenmütze, sorgt mit gleichmäßigem Zug dafür, dass die Trosse nicht rutscht.
Da die Trosse jetzt unter Spannung stand, konnte sie nicht einfach von der Winde abgenommen, sondern musste erst mit einem Tampen oder einer Kette (bei Stahltrossen) abgestoppt werden, bevor man sie auf dem Poller belegen konnte. So lief das Manöver zeitgleich auch auf dem Vorschiff ab.
Hein stoppt die Manila mit einem Tampen ab.
Nachdem das Schiff fest mit der Pier vertäut war, wurden an den Trossen noch Rattenschutzbleche angebracht, so dass zumindest auf diesem Wege keine Ratten oder Mäuse an Bord kommen konnten. Mit dem Aufschießen der Manilas oder Drähte war das Festmachen dann beendet, und wer Glück hatte, konnte sich landfein machen.
Meistens strömten jedoch die Hafenarbeiter an Bord, um mit den Lade- oder Löscharbeiten zu beginnen. Wir wurden dann zur Luken- bzw. Raumwache eingeteilt. Dabei ging es in erster Linie darum, auf eine ordnungsgemäße Behandlung der Ladung zu achten und Diebstähle zu verhindern, was unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Die Arbeiter hatten jede Menge Tricks auf Lager, um uns abzulenken und an den Inhalt der einen oder anderen Verpackung zu gelangen. So manche Kiste wurde aufgebrochen oder ging beim Hochhieven (absichtlich) zu Bruch, und ehe man eingreifen konnte, waren wertvolle Teile auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Die Arbeiter richteten sich, wenn sie erstmal an Bord waren, für die ganze Zeit häuslich ein. Sie kochten an Deck, sie wuschen sich an Deck, sie palaverten an Deck und sie schliefen nachts an Deck. Damit sie ihre Notdurft nicht auch noch an Deck verrichteten, hatten wir – ich übersetze das lieber in stubenreines Hochdeutsch – „Gastarbeitertoiletten“ an der landabgewandten Schiffsreling angebracht.
Trotzdem roch es in den Luken mitunter recht merkwürdig. Auch über Deck zogen die fremdartigsten Gerüche, wenn in den Arbeitspausen oder nach Feierabend gekocht wurde. Überhaupt, man hatte das Gefühl, sich mitten in einem Beduinenlager zu befinden. Obwohl die Leute tagelang an Bord waren, gab es zwischen ihnen und uns so gut wie keinen Kontakt. Das lag nicht nur an den Sprachschwierigkeiten, sondern auch daran, dass sie uns schlichtweg ignorierten. Wir waren jedenfalls immer ziemlich erleichtert, wenn die Gangs ihre Arbeit beendet hatten und wir unser Schiff wieder in Besitz nehmen konnten.
Nun lagen wir aber immer noch an den Tonnen in der Nähe von Basra. Viel zu sehen gab es da nicht, links und rechts am Ufer Dattelpalmen und ab und zu kam mal eine Dhau vorbei.
Aber schon bald hatten wir die Gelegenheit, mit einem Boot an Land zu fahren. Um nach Basra zu gelangen, nahmen wir uns zu zweit ein Taxi. Der Fahrer kassierte, wie konnte es auch anders sein, ein Vielfaches des regulären Preises. Dafür gab er uns aber wenigstens noch zwei nützliche Tipps mit auf den Weg. Erstens herrschte strengstes Fotografierverbot, und zweitens sollten wir alles vermeiden, was den Eindruck erwecken würde, wir seien Engländer. Die waren nämlich bei den Irakern zutiefst verhasst und wurden bisweilen übel zugerichtet.
Die Stadt war für uns eine völlig fremde Welt. Basare, Schrift, Kleidung, Essen, Musik, Gerüche, Gestank, Armut, Bettler, Krüppel, Lärm, alles war ungewohnt und wirkte, als es dunkel geworden war, nahezu unheimlich und bedrohlich. Im Hinterkopf war ja auch noch der Gedanke, bloß nicht mit Engländern verwechselt zu werden. Jedenfalls waren wir froh, als wir in der Nacht wieder auf unserem Schiff ankamen und uns in vertrauter Umgebung befanden.
Etwa Mitte September hatten wir eines Tages den Eindruck, die Hafenarbeiter würden den Aufstand proben. Von Land her hörten wir lautes Geschrei, und dann sahen wir hunderte von johlenden und gestikulierenden Arbeitern die Pier entlanglaufen. Da sie immer näher kamen, dachten wir schon, sie wollten unser Schiff stürmen.
Aber dann sahen wir den Grund für den „Aufruhr“. Auf dem Schatt näherte sich eine größere Jacht mit einem Begleitboot. An Bord befand sich Abdel Karim Qasim, Premierminister sowie Verteidigungsminister des Irak, der erst im Juli die Monarchie von König Feisal abgeschafft und die Republik eingeführt hatte. Er schien wohl sehr beliebt zu sein.
Insgesamt blieben wir 12 Tage in Basra, so dass ich in meiner Freizeit noch mehrmals die Gelegenheit hatte, an Land zu gehen. Aber die Freizeit hielt sich natürlich in Grenzen. Wenn die Hitze am größten war, die Einheimischen sich in den Schatten zurückgezogen hatten, um Siesta zu halten, und dann auf einem Schiff gearbeitet wurde, konnte man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um ein deutsches Schiff handelte.
Da wurden an Deck und außenbords die üblichen Instandsetzungsarbeiten durchgeführt, also Rost entfernt, Farbe gewaschen, gemalt und gelabsalbt. Ladung, die sich an der falschen Stelle befand, musste umgestaut werden. In leeren Laderäumen wurden Dreck, Abfall und Trümmer zusammengefegt und nach oben befördert. An Deck wurde aufgeräumt und das Chaos beseitigt. Außerdem Runde gehen, Backschaft machen, Anlegen, Ablegen, Raumwache und Lukenwache, da kam allerhand zusammen, so dass ich in meiner Freizeit häufig nur das Verlangen hatte, mich auszuruhen.
Von Basra aus fuhren wir stromabwärts nach Abadan zum Bunkern. Der Aufenthalt war zwar nur kurz, reichte aber aus, um das Seemannsheim zu besuchen und im Schwimmbecken ein erfrischendes Bad zu nehmen.
Im Ölhafen von Abadan
Die nächsten Häfen lagen im Persischen Golf. Zuerst liefen wir Kuwait an, wo wir zwei Wochen vor Anker lagen, bis wir an die Pier konnten. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt vor Mena und weiteren acht Tagen vor Dammam war die Rundreise im Golf beendet, und es ging zurück in den Schatt el Arab, nach Khorramshar.
Inzwischen war es Ende Oktober, und das Wetter begann sich schlagartig zu ändern. Eines Tages zogen dunkle Wolken auf, und im Verlauf eines schweren Gewitters fiel zum ersten Mal Regen. Von nun an war die Hitze gebrochen. Tagsüber war der Himmel jetzt häufig bedeckt, ab und zu regnete es, die Nächte wurden kühler, gegen Ende November sogar kalt.
Während wir in der Nähe von Khorramshar zunächst wieder vor Anker lagen, hatten wir aus Brettern und leeren Fässern ein Floß gebaut, um außenbords zu malen. Weil wir an nichts Böses dachten, war es während der Mittagspause unbeaufsichtigt. Unterdessen waren jedoch einige Männer mit einem Boot unbemerkt an unser Schiff herangekommen und wollten offensichtlich das Floß klauen.
Zufällig wurden sie von einem unserer Leute entdeckt. Der schlug Alarm, und wir konnten die Männer im letzten Moment in die Flucht jagen. Sie paddelten so schnell sie konnten ein Stück stromaufwärts und beobachteten uns aus sicherer Entfernung bei der Arbeit. Das taten sie auch an den folgenden Tagen, aber da in den Pausen von nun an immer eine Wache an Deck blieb, und wir das Floß abends an Bord holten, gaben sie es irgendwann auf und ließen uns in Ruhe. Nachts hatten wir übrigens immer eine Wache an Deck, um vor ungebetenen Gästen sicher zu sein.
Hier sieht man die Pier von Khorramshar, an der gerade mal 7 Schiffe festmachen konnten. An den Ort selbst habe ich keine guten Erinnerungen. Er machte einen ärmlichen und unsauberen Eindruck. Es gab zwei Straßen mit Basaren, aber was man kaufen konnte, war meist nur importierter Ramsch zu überhöhten Preisen.
Die „Hauptstraße“ von Khorramshar
Mit dem Landgang war das nicht immer so ganz einfach. Zunächst musste man ihn beantragen und genehmigen lassen. Wenn man nicht zum Arbeiten gebraucht wurde, stand dem aber nichts mehr im Wege. Bis auf Hein. Der gehörte zu den „ewigen Matrosen“. Das waren ältere Matrosen, die ihren Dienstgrad schon vor Jahren erreicht hatten, und eine Beförderung so gut wie ausgeschlossen war. Gründe dafür gab es verschiedene.
Hein hatte schon häufig davon gesprochen, in den Sack zu hauen (abzumustern), aber nie einen Job an Land gefunden. Eigentlich war er ein netter Kerl, aber wenn er getrunken hatte, was häufig der Fall war, wurde er unausstehlich, besonders Schiffsjungen gegenüber.
Eines Tages wollte ich an Land gehen. Mein Urlaub war genehmigt, und ich hatte mich landfein gemacht. Da fing mich Hein an der Gangway ab und versperrte mir den Weg. Ich sollte erst noch das Deck fegen, bevor er mich gehen lassen würde. Das war Schikane, und ich weigerte mich. Hein kam bedrohlich näher, woraufhin ich die Flucht ergriff. Er jagte mich übers Deck und warf einen Besen hinter mir her. So drehten wir einige Runden um die Luken, bis es mir schließlich gelang, über die Gangway zu entwischen.
Hier in Khorramshar gab es dieses Problem aber nicht. Als mein Kumpel Pongo, der gerade mit meiner Kamera das Foto macht, unser Schiffszimmermann (in der Mitte) und ich (in meinem ehemaligen Konfirmationsanzug) auf die Pier kamen, wurden wir von einem netten iranischen Soldaten angesprochen. Er lieh mir sogar sein Gewehr, damit ich mal auf die Linse meines Fotoapparates zielen konnte (um Gottes willen nicht auf Pongo). Sicherheitshalber hatte der Soldat natürlich das Magazin entfernt. Man sieht es in seiner rechten Hand.
Unser Aufenthalt in Khorramshar dauerte noch bis Ende November. Anfang Dezember fuhren wir ein weiteres Mal nach Basra, diesmal um Getreide zu laden. Dafür waren besondere Luken vorgesehen, die aber erstmal gereinigt werden mussten, denn die Wände waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Obwohl wir uns nasse Tücher vor Mund und Nase gebunden hatten, mussten wir dauernd an Deck klettern, weil wir durch den aufgewirbelten Staub keine Luft mehr bekamen und auch nichts mehr sehen konnten. Zum Schluss glichen wir äußerlich eher Bergleuten als Seeleuten.
Zwei von den Kadetten traf ich nach vielen Jahren in Köln wieder. Sie traten auf dem Schiff schon immer im Doppelpack auf. Das war in der Tat ein merkwürdiger Zufall. Jedenfalls kamen sie in der Nähe des Kölner Doms aus einem Wettbüro, und wir liefen direkt aufeinander zu. Die Überraschung war zwar auf beiden Seiten groß, aber nicht die Wiedersehensfreude. Wir hatten schon an Bord eine Menge Ärger miteinander. So begrüßten wir uns nur kurz und gingen dann unserer Wege.
Den Rest der Ladung löschten wir in Khorramshar. Von da aus fuhren wir noch mal nach Abadan – zum Volltanken für die Heimreise. Die Anlegestelle war nicht am Ufer, sondern an einem Steg, auf dem sich die Ölleitungen, Anschlussvorrichtungen für die Schläuche und Absperrventile befanden. Nach der Treibstoffübernahme sollten wir mit Hilfe zweier Schlepper von dem Steg weggezogen werden. Entweder hatten es die Schleppercrews sehr eilig oder sie warfen aus einem anderen Grund die Schleppleinen viel zu früh los.
Jedenfalls hatten wir noch nicht genügend Abstand, und bei dem Versuch ins freie Fahrwasser wegzudrehen, rammten wir mit dem Heck gegen den Steg, und durch den Stoß drehte der Bug landeinwärts. Da half kein „Maschine volle Kraft zurück!“, wir fuhren mit ziemlicher Geschwindigkeit direkt auf das Ufer und die Pipelines zu. Zum Glück wurde das Wasser flacher, und wir liefen auf Grund, bevor wir das Ufer erreicht hatten. Jetzt saßen wir im Schlick fest, zu fest jedenfalls, um aus eigener Kraft wieder freizukommen. Auf den Schleppern hatte man wohl gemerkt, dass bei uns etwas schiefgelaufen war. Sie kamen zurück und nahmen uns achtern auf den Haken. So gelang es ihnen nach einigen Versuchen, uns wieder ins Fahrwasser zurückzuziehen.
Das war alles morgens geschehen, und wir wollten ja eigentlich die Heimreise antreten. Deshalb waren wir etwas verwundert, als von der Brücke die Anweisung zum sofortigen Ankern gegeben wurde. Der Grund dafür war, dass unser Kapitän während des misslungenen Ablegemanövers einen Herzanfall erlitten hatte und zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden musste. Einzelheiten erfuhren wir natürlich nicht, denn zwischen Schiffsführung und Schiffsjungen lagen ja Welten. So wurde spekuliert, wir bekämen einen anderen Kapitän, der müsse aber erst aus Deutschland eingeflogen werden. Dadurch würde sich die Heimreise wohl um einige Tage verzögern. Glücklicherweise wurde unser Kapitän aber noch in der Nacht wieder an Bord gebracht, und gegen 4 Uhr, es war der 10. Dezember, traten wir dann endgültig die Heimreise an.