Von Rotterdam bis Port Said brauchten wir 11 Tage. Die See war im Allgemeinen ruhig. Manchmal konnte man in der Ferne an Steuerbord die afrikanische Küste erkennen. Ab und zu begegneten wir auch Schiffen, von denen wir bei Dunkelheit einige mit dem Scheinwerfer anmorsten. Die Freude war groß, wenn sie dann auch antworteten und wir die Blinkzeichen entziffern konnten.
In der Straße von Gibraltar
Es wurde von Tag zu Tag wärmer. Am stärksten empfand ich die Hitze aber erst, als wir am 27. August in Port Said einliefen. Da machte ich dann auch zum ersten Mal mit „fliegenden Händlern“ Bekanntschaft. Sie flogen zwar nicht, sondern fuhren mit ihren Booten die Schiffe an, um ihre Souvenirs zu verkaufen. Wer kein Bargeld hatte, konnte sie (die Souvenirs) auch auf dem Tauschweg erwerben.
Einfahrt zum Kanal
Das Gebäude der Kanal-Gesellschaft
Deshalb wählte ich beim Handeln nach Möglichkeit den „bargeldlosen Zahlungsverkehr“. Nylonhemden waren damals in südlichen Ländern ein begehrter Artikel, und so tauschte ich eins meiner Hemden gegen ein Paar Ledersandalen ein. Der Händler hatte mich natürlich übers Ohr gehauen, aber das war dort so üblich.
Was das Geld betraf, so sah es bei mir ziemlich schlecht aus. Die monatliche Grundheuer betrug 65,00 DM, hinzu kam eine Persien-Zulage von 10,00 DM, und für jede normale Überstunde gab es 65 Pfennig (Ladestunden wurden mit 1,10 DM vergütet.) Davon mussten Wäsche, Toilettenartikel, Waschpulver, Getränke und was sonst noch so anfiel, bestritten werden, so dass am Monatsende kaum etwas übrig blieb.
Das waren also im Schnitt 106,60 DM bei rund 45 Überstunden pro Monat.
Am nächsten Tag durchquerten wir den Suez-Kanal, aber nicht in einem Rutsch. Weil die Fahrrinne für den Gegenverkehr aus Richtung Suez nicht breit genug war, wurde an jedem Ende des Kanals ein Konvoi von zehn Schiffen zusammengestellt.
Bevor wir in den Kanal einlaufen konnten, mussten wir warten, bis der Konvoi vollständig war.
So fuhren wir im Verband zunächst bis zum Großen Bitter-See, ließen dort den Konvoi aus Suez passieren und setzten anschließend den Rest der Reise fort. Aufgrund der Sandberge, die sich streckenweise zu beiden Seiten des Kanals auftürmten, hatte ich den Eindruck, mitten durch die Wüste zu fahren.
Im Großen Bitter-See lässt man den entgegenkommenden Konvoi passieren.
Während der Fahrt durch den Golf von Suez und danach durch das Rote Meer machte mir die Hitze immer mehr zu schaffen. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel unbarmherzig auf uns herab. Selbst das Meerwasser, mit dem wir das Deck – und bei dieser Gelegenheit auch uns selbst – abspülten, war unangenehm warm und brachte keine Erfrischung. Außer dem leichten Fahrtwind wehte kein Lüftchen, so dass die See einer riesigen Öllache glich.
Unter Deck war es erst recht nicht auszuhalten. Klimaanlagen gab es nicht, nur einige Ventilatoren bliesen uns heiße Luft entgegen. Erst wenn die Sonne untergegangen war, wurde es an Deck ein wenig erträglicher. In den Kabinen hielt sich die Hitze jedoch die ganze Nacht hindurch, was uns dazu veranlasste, an Deck zu schlafen. Ich wurde zusehends schlapper, konnte mich kaum noch auf den Beinen halten und musste mich schließlich auch noch übergeben. Nach zwei Tagen fühlte ich mich endlich wieder besser.
Inzwischen waren wir im Arabischen Meer, und weil der Himmel jetzt bedeckt war und ein strammer Wind blies, ließ sich auch die Hitze besser ertragen. Dafür nahm aber der Seegang zu, und ich befürchtete schon, wieder seekrank zu werden. Aber diesmal blieb ich verschont.
Mit der Fahrt durch den Persischen Golf ging die Zeit auf See langsam ihrem Ende entgegen. Das tiefblaue, kristallklare Wasser, das in der Nähe von vereinzelt auftauchenden Inseln die verschiedensten Grüntöne annahm, war ein herrlicher Anblick. Von den vielen Schiffen, die uns jetzt immer häufiger begegneten, waren die meisten große Öltanker.
Etwa 190 km vor der Küste fließen die beiden Ströme Euphrat und Tigris zusammen und bilden den Schatt el Arab, der in den Persischen Golf mündet. Der untere Teil des Flusslaufes bildet die Grenze zwischen Irak und Iran.
Am 8. September, zehn Tage nachdem wir Suez verlassen hatten, gingen wir vor dem Schatt el Arab vor Anker. Es war unmöglich, in den Strom einzulaufen, weil durch einen Sandsturm selbst Schiffe in unmittelbarer Nähe nur noch schemenhaft zu erkennen waren. Innerhalb kürzester Zeit war alles von einer Mischung aus Sand und graugelbem Staub überzogen.
Wegen eines Sand- und Staubsturms mussten wir ankern.
Auf Reede vor der Mündung des Schatt el Arab
Erst am übernächsten Tag besserte sich die Sicht. Gegen 23 Uhr kam dann endlich der Lotse an Bord, und um 4 Uhr wurden die Anker gelichtet. Nun ging es stromaufwärts nach Basra, wo ein Teil unserer Ladung gelöscht werden sollte.
Hier befinden wir uns auf dem Schatt el Arab. Um etwas Schutz vor der Sonne zu haben, wurden Sonnensegel gespannt. Am Ufer wachsen Dattelpalmen.
Unser Schiff fuhr nun mal nicht zum Vergnügen der Besatzung über die Meere, sondern um Fracht zu befördern. Die Ladung musste als Nächstes in verschiedenen Häfen gelöscht werden. Da es unrentabel war, die Heimreise mit einem leeren Schiff anzutreten, kam natürlich auch wieder Ladung an Bord. So pendelten wir mehrmals zwischen den Häfen Basra (Irak), Khorramshar (Iran), Abadan (Iran), Kuwait, Dammam (Saudi-Arabien) und einigen anderen kleinen Häfen hin und her. Die Bedingungen, unter denen zunächst das Entladen und dann das Beladen vonstattengehen sollten, waren nicht die besten.
Fehlende oder unzureichende Hafenanlagen führten häufig zu langen Wartezeiten. Die Mentalität der Hafenarbeiter, auf deren Mitarbeit wir ja angewiesen waren, war völlig anders als die unsere, und das Arbeiten bei der Hitze machte uns natürlich jetzt erst recht zu schaffen. Somit begann eine harte Zeit, die fast auf den Tag genau drei Monate dauern sollte.