Ab Juni 1962 war ich nun Bordfunker-Schüler
Inzwischen hatte ich einige nette Kameraden kennen gelernt, und da die Urlaubszeit gekommen war, machten wir uns Gedanken darüber, was wir wohl unternehmen konnten. Wir einigten uns auf Spanien und starteten am 2. Juni zu dritt mit einem alten Peugeot 204, den wir uns von einem Kameraden ausgeliehen hatten.
Sehr weit kamen wir allerdings nicht. Am nächsten Tag, es war ein Sonntag, gab etwa 100 km vor Lyon, mitten in einem gottverlassenen Bergdorf, das Differentialgetriebe seinen Geist auf. Aber es gab wenigstens ein kleines Hotel in dem wir uns einquartieren konnten, eine Autowerkstatt und eine Poststelle.
Nun begann das Warten. Das Getriebe wurde von irgendwo herbeigeschafft und eingebaut. Weil wir aber nicht genügend Geld dabei hatten, um die teure Reparatur zu bezahlen, mussten wir es von der Poststelle aus telegraphisch überweisen lassen. Das Ausfüllen der Formulare war eine komplizierte Angelegenheit, da der Angestellte kein Deutsch verstand und von uns keiner Französisch sprach. (Deshalb verstanden wir im Hotel auch die Speisekarte nicht und ernährten uns hauptsächlich von Käse.) So pendelten wir bis Mittwochnachmittag zwischen Werkstatt, Poststelle und einem Gebirgsbach – der uns half, die Hitze zu ertragen – hin und her. Nach drei Tagen konnten wir endlich unsere Reise fortsetzen.
Am Donnerstagabend, kurz hinter Bilbao, fanden wir keine geeignete Stelle, um unsere komfortablen Bundeswehr-Einmann-Zelte aufzubauen und verließen deshalb die Hauptstraße in Richtung Küste. Die Straße endete in einer kleinen Bucht (sie hieß La Arena), die zu beiden Seiten von mäßig hohen Felshängen eingerahmt war. Außer ein paar vereinzelten Häusern an den Hängen gab es noch eine Kneipe, vor der einige Fischerboote lagen. Da wir noch etwas essen wollten, suchten wir erstmal die Kneipe auf und fragten an der Bar, ob wir Geld tauschen könnten. Das war aber erst am nächsten Morgen in einem nahe gelegenen Ort möglich.
Allerdings kamen wir mit einigen Fischern ins Gespräch, die sich sofort anboten, uns Geld zu leihen, das wir ihnen am nächsten Tag dann zurückgeben konnten. Es wurde eine feuchtfröhliche Nacht, und wir waren beeindruckt von der Freundlichkeit dieser Männer und ihrem Vertrauen uns gegenüber, denn sie sahen nicht danach aus, als hätten sie Geld zum Verschenken. Den Rest der Nacht schliefen wir dann am Strand in unseren Zelten.
Am nächsten Tag klappte es auch mit dem Geldtausch. Ich kaufte mir außerdem noch ein spanisches Wörterbuch, da die Verständigung doch etwas mühsam war. Abends suchten wir wieder die Kneipe auf und gaben den Fischern das geliehene Geld zurück.
Im weiteren Verlauf des Abends trafen drei neue Gäste ein, eine Frau mittleren Alters mit ihren beiden Töchtern. Die Frau hatte eine Gitarre dabei und nach kurzer Zeit begann sie, spanische Flamencos zu spielen, die Töchter sangen dazu, die Fischer klatschten den Takt, und wir versuchten es ebenfalls. Wie sich später herausstellte, war die Gitarrespielerin die Frau eines Reedereidirektors aus Bilbao, die mit ihren beiden Töchtern, Vicky und Veronica, die Ferienzeit in ihrem Landhaus in der Bucht verbrachte. Sie lud uns ein, sie am nächsten Tag dort zu besuchen. Von nun an waren wir die Gäste der Familie Urreaga. An eine Weiterfahrt war nicht mehr zu denken, wir hatten sozusagen das Ziel unserer Reise erreicht.
Während der nächsten Woche verbrachten wir die meiste Zeit am Strand, unternahmen aber auch einige Ausflüge mit Frau Urreaga in die nähere Umgebung. U.a. besuchten wir ein Landgut, das der Familie gehörte, wo wir ihre Schießkünste beim Tontaubenschießen bewundern konnten.
Ein ganz besonderes Erlebnis war der Besuch eines Stierkampfes in Bilbao, der am 19. Juni stattfand. Die alte Arena war einige Jahre zuvor abgebrannt, und die neue wurde an diesem Tag eingeweiht. Da es sich hierbei um ein großes Volksfest handelte, gab es schon lange keine Eintrittskarten mehr, aber Herr Urreaga wollte uns unbedingt einladen, und aufgrund seiner beruflichen Stellung hatte er genügend Beziehungen, um noch drei Karten für uns zu besorgen.
Frau Urreaga war schon tags zuvor mit ihren Töchtern nach Bilbao gefahren, denn man musste sich ja entsprechend vorbereiten (Friseur, Kosmetik, Kleidung). Wir wollten uns dann am Dienstag um 10 Uhr in ihrem Haus treffen und von dort aus zur Arena fahren. Da der Gärtner unbedingt noch Blumen schneiden musste, die er uns für die Familie mitgeben wollte, verzögerte sich unsere Abfahrt mehr und mehr, und es sah mittlerweile so aus, dass wir die ca. 30 km bis zum vereinbarten Termin unter den gegebenen Umständen nicht mehr schaffen würden.
Links im Bild Herr Urreaga, vor ihm der Gärtner
Dazu muss ich vorausschicken, dass meine beiden Kumpels mir inzwischen wegen meines heißen Fahrstils ein Fahrverbot erteilt hatten. Aber wenn einer von ihnen gefahren wäre, bestand kaum noch Aussicht, rechtzeitig da zu sein, und es wäre mir verdammt peinlich gewesen, unsere Gastgeber warten zu lassen. Also machte ich den Vorschlag, lasst mich fahren, dann können wir es vielleicht noch schaffen. Sie willigten ein, und wir waren pünktlich da. Vicky stieg in unseren Peugeot, die anderen fuhren mit Herrn Urreaga.
Nun waren wir aber noch lange nicht an der Arena. Verkehrsmäßig war die Anfahrt so geregelt, dass die relativ breite Zufahrtsstraße nur in einer Richtung zu befahren war. Der Verkehr quälte sich nun im Stop-and-go auf fünf parallelen Spuren voran. Irgendwie war ich wohl von Vicky abgelenkt und hatte ein Stopp nicht mitbekommen, jedenfalls krachte es, und wir waren auf den Vordermann aufgefahren.
Der hatte aber eine stabile Stoßstange, und an seinem Wagen war kein Schaden entstanden. Nach einer kurzen Unterbrechung konnten wir weiterfahren. Bei unserem Peugeot sah es allerdings nicht so gut aus. Ein Scheinwerfer war kaputt und der Kühlergrill war eingebeult.
Vom eigentlichen Stierkampf habe ich kaum etwas mitbekommen, obwohl wir hervorragende Plätze hatten. Wir saßen mitten in einem Pulk älterer Herren der Bilbaoer High Society – alles Bekannte von Herrn Urreaga, bei denen sich herumgesprochen hatte, dass wir von der deutschen Luftwaffe waren. Damit hatten wir bei ihnen wohl einen Stein im Brett, denn sie waren alle Franco-Anhänger und erwähnten häufig die Legion Condor. Jedenfalls waren sie sehr an uns interessiert, und wir bekamen etliche Einladungen, die wir leider wegen unserer Abreise am übernächsten Tag nicht wahrnehmen konnten.
Nach dem Stierkampf blieben die Eltern in Bilbao und wir fuhren mit Vicky zurück nach La Arena.
Am 21. Juni traten wir nachmittags unsere Heimreise an. Wir hatten einen herrlichen Urlaub verbracht und nahmen deshalb die Einladung für das nächste Jahr dankend an.
Etwas unwohl war mir jedoch bezüglich unseres Verhaltens gegenüber den Fischern. Sie haben uns wahrscheinlich für sehr undankbar gehalten und den Eindruck gehabt, nachdem die Deutschen die reichen Urreagas kennen gelernt hatten, waren wir für sie nicht mehr gut genug. So ganz Unrecht hatten sie damit wohl auch nicht.
Während meiner Freizeit ging ich oft ins Kino und sah mir insbesondere Western-Filme an. Darauf ist es auch zurückzuführen, dass der Wunsch entstand, das Reiten zu erlernen. Am Ortsrand von Kaufbeuren gab es einen kleinen Reitstall, und ab August nahm ich dort meine ersten Reitstunden. Die folgenden Aufnahmen entstanden an einem Sonntag. Eigentlich wollte ich Ortwin nur den Stall und die Pferde zeigen, aber es reizte mich dann doch, ein paar Runden in der Bahn zu drehen, zumal Ortwin seinen Fotoapparat dabei hatte. Die etwas untypischen Reitklamotten sind eben darauf zurückzuführen, dass Sonntag war.
Das Pferd hatte zwar Ruhetag, war aber trotzdem recht willig.
Das Reiten in der Bahn war zwar zum Lernen recht sinnvoll, gefiel mir aber nicht sonderlich. Wesentlich mehr Spaß machten mir die Ausritte ins Gelände.
Ab und zu drehte ich auch ein paar Runden um den Flugplatz.
Eine spezielle Reitausrüstung hatte ich nicht.
Im Winter fuhren wir manchmal mit Norberts neuem VW in die Berge. Allerdings ohne die Frauen, die haben wir dort (im Ötztal) kennen gelernt.
Diese Stiefeletten waren wohl doch nicht die optimale Ausrüstung.
Eigentlich handelte es sich hier ja zu dieser Jahreszeit um ein Skigebiet, und so waren wir mit unserem „Outfit“ wohl die Ausnahme. Für die Abfahrt zur Talstation hätten wir natürlich den Skilift nehmen können, verzichteten aber aus Kostengründen darauf und wählten stattdessen die Skipiste. Die war natürlich stellenweise recht steil und zu Fuß etwas mühsam zu bewältigen. Ein beachtliches Stück schaffte ich, indem ich auf meinen Stiefeletten „hinunterfuhr“. Unterwegs hörte ich, wie jemand aus einem Skilift rief: „Oh, look, he has forgotten his skies!“ Es blieb natürlich nicht aus, dass ich mit den Stiefeletten in einem Huckel stecken blieb und dann kopfüber die Abfahrt fortsetzte, begleitet vom Gelächter der Skifahrer.
Das Wesentliche während meiner Zeit in Kaufbeuren war natürlich nicht die Freizeitbeschäftigung, sondern meine Ausbildung zum Funker, die aus den beiden Lehrgängen Grundlagen der Flugsicherung und Bordnavigationsfunker bestand.
Die Lerninhalte waren: Flugbetrieb, Navigation, Funkbetrieb, Geräte, Englisch und das Hören und Geben der Morsezeichen.
Am wichtigsten war natürlich das Morsen, denn beim Hören und Geben war ein Mindesttempo von 100 Zeichen pro Minute vorgegeben, und wenn man dieses Tempo nicht schaffte, konnte man den Lehrgang nicht bestehen.
Im Rahmen der Navigationsausbildung durfte ich dann am 2. Mai 1963 (ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk) zum ersten Mal in meinem Leben in ein Flugzeug steigen. Dabei handelte es sich um ein Schulungsflugzeug vom Typ Piaggio.
Zu meiner Ausrüstung gehörten eine Flieger-Kombi und ein „Schiffchen“. Bevor wir starteten meinte der Pilot: „Wenn dir schlecht wird, dann kotz in das Schiffchen, und wenn das nicht reicht, musst du sehen, wie du die Maschine wieder sauber kriegst.“ Zum Glück kam es dazu aber nicht, obwohl der Pilot sich mit allerhand Flugmanövern redlich Mühe gab. Nach 2 Stunden waren wir wieder am Boden. Mein Eindruck: Es war einfach „himmlisch“. Ich konnte die nächsten Flüge kaum erwarten.
Nach 3 weiteren Flügen mit der Piaggio, die im Raum Kaufbeuren stattfanden, machten wir mit einer Pembroke einen „Ausflug“ nach Diepholz.
Archivbild
Nach dem Start in Kaufbeuren
Damit war das mehr oder weniger passive Mitfliegen beendet, und auf der Noratlas, dem ersten deutschen Transportflugzeug, wurden wir in unsere eigentliche Tätigkeit eingewiesen.
Archivbild
Nun galt es, die theoretischen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. Zielflughäfen waren Ahlhorn, Bitburg, Gütersloh, Köln-Wahn, Schleswig und Brawdy in England. Der letzte Flug fand am 26. Juni statt. Statistisch gesehen waren es von Mai bis Juni 22 Flüge und die Gesamtflugzeit betrug 47 Stunden.